Guten Tag!
Laut einer unbequemen Wahrheit in Deutschland befinde ich mich gerade in einer Stadt, die es gar nicht gibt. An den Ausläufern des Teutoburger Walds liegt Bielefeld. Und allem Anschein nach gibt es hier jede Menge Häuser, freundliche Menschen, Einkaufsmeilen und hippe Bars mit hübschen jungen Leuten. Oder aber es sind die Drogen, die den tourenden Musiker zu schaffen machen.
Zu schaffen macht uns auf jeden Fall eine alte Frau: Wir kamen bei Stefan, unserem Host, an und da kam eine alte Dame aus ihrer Erdgeschosswohnung herausgeprescht. „Was ist hier los!?, Stefan, sie vermieten ihre Wohnung an diese Fremden! Das ist nicht erlaubt! Was fällt ihnen ein?!“ „-Nein Frau irgendwas, das sind Freunde, sie besuchen mich!“ „Jaja, ich bin doch nicht dumm, das geht nicht hier, Sie machen was sie wollen, hören Sie auf damit!, Beim letzten Mal waren es auch acht Leute mindestens, was macht ihr da oben?“ Das war der Auszug aus einem fünfminütigen Gespräch, die olle Schrulle wollte nicht aufgeben. Ich beschmunzelte die Situation, alles was die Alte sagte, ist haltlos. Witzig war, dass Steve uns noch zwei Minuten vorher im Bus vor ihr warnte. Schon ist sie da!
Gestern Abend hat Reuben ein paar Schnitzel gemacht. Die musste er klopfen. Er packte die Teile in einen Plastikbeutel und da ein Schnitzelklopfer fehlte, nahm er eine breite schwere Bratpfanne und drosch mit Wucht auf das Fleisch. Stumpf und plump wurde es von der Pfanne erledigt. Ein blödsinnig witzier Anblick. Das ging ein paar Minuten als es an der Tür klingelte. Keiner von uns hat das erst beachtet aber dann drosch es gegen die Tür. Stefan öffnete und davor stand: Die Schrulle von unten! „Was ist hier los!!? Bin ich taub oder was?! WAS macht ihr hier!!?“ „Wir machen Schnitzel, Man ey!“ Rums, Tür zu, Schrulle weg. Wir haben alle gelacht aber diese Tante hat einen Schaden!
Die letzten Tage waren wunderbar. Wir fuhren aus der Sündenstadt Hamburg hinab nach Hannover und hatten einen coolen Gig direkt in einer Bar neben einem kleinen Theater. Dieses Theater war früher ein altes Badehaus und hatte hier und dort noch historische Badekabinen zu bestaunen. Die Bühne in der Bar war die kleinste, die ich je bestieg. Ich stand wie ein Beatle gleich neben Steve, dann kam sofort Reuben. Vor der Bühne links unten saß Gidi mit seinen Drums. Ich schaute ihm von oben beim Spielen zu. Wunderbar. Wir mussten auch leise spielen, sonst drückte das Blech der Drums die ganze Bar zu. Was für ein heimeliges Erlebnis.
Unsere Bleibe war das Kabaret! Es gab eine Künstlerwohnung, die wir bezogen. Man konnte aber in den Gängen des Theaters herumsuchen, nach alten geheimen Passagen, überall gab es Wege und Türen zu kleinen Verstecken. Erst dunkel, dann mit kleinen Lichtern erhellt fand ich allerlei Krimskrams aus alten Tagen. In einem alten Notizbuch standen Zahlen in Kombination miteinander, die mir schleierhaft blieben. Ich habe nicht herausgefunden, wofür die stehen konnten. Einige Namen und Stundenzahlen dahinter verrieten wohl Arbeitszeiten aber der Rest? Im Februar 1962 begannen die Aufzeichnungen. Herrje, meine Mutter war noch gar nicht geboren.
Ich lief über die Theaterbühne, entlang der Zuschauerplätze, hinter in die Küche. Die war genialst ausgestattet. Super Pfannen, Gasherd, eine Auswahl erstklassiger Käsesorten im Kühlschrank. Wenn wir nach dem Gig wiederkommen würden, gäbe es hier in jedem Falle noch etwas zu tun. 🙂
Nach dem Gig. Ja dann sind wir mit den Barbetreibern erstmal tanzen gegangen. Schweiß, Hitze, 80-er Jahre Hits. Das war spaßig. Meine Kollegen konnten sich zwar nicht lange an den Hits erfreuen aber eine Weile hielten sie es aus. Es gab mehrere Floors, wahrscheinlich waren 700 Leute da, es war rammelvoll. Und: Rammel-voll in einem anderen Sinne waren auch die meisten Leute da. So konnte sich der geneigte Besucher… nun gut.
Später sind wir noch in einen Elektroschuppen gegangen. Kurz vor sechs im Theater angekommen haben wir dann noch ein Omelett mit Käse und Tomaten gemacht. Wunderbares Frühstück? Nachtstück? Whatever. Wir schnappten unsere Schlafsäcke und schliefen auf den aufblasbaren Luftmatratzen direkt auf der Theaterbühne.
Thüringen! In einem kleinen Dorf nahe Nordhausen war das nächste Konzert. Ein Kunsthof in einem 70-Seelenort. Einige Hügel legten sich aneinander um in ihrer Mitte ein kleines Tal zu bilden, in dem schläft das Dorf tagein tagaus. Es war der Frieden schlechthin. Mit Steve liefen wir über hügelige Felder und fanden einen alten Friedhof. Die Leute dort sind teilweise in den Fünfzigerjahren des 19. Jahrhunderts geboren und demzufolge teilweise noch vor dem ersten Weltkrieg gestorben. Wenn also jemand 1908 gestorben ist und das Grab über hundert Jahre alt ist, hatte ich vom Dorf einen sehr mysteriösen Eindruck. Die Namen auf den Grabsteinen wiederholten sich oft, viele genetische Varianten scheint es dort nicht gegeben zu haben. Gefeixt habe ich: „Hier liegt Familie Hauptfleisch“ „Hier ruht in Frieden Familie Schweinefleisch“ Ähm, die haben bestimmt alle an der Wursttheke gearbeitet!!
Die Bühne im Thüringer Dorf war sehr groß! Ich konnte herumlaufen, tanzen, mitgrooven, es war gut gut gut! Anne hat das auch gut gefallen, sie macht seit zwei Wochen ein freiwilliges soziales Jahr und interessierte sich sehr für die Musik… Am nächsten Tag lief ich durch die bewaldeten Hügel oberhalb des Ortes und fand einige seltsame Füße herumliegen. Vielleicht hat sich ein Ent aus Mittelerde hierher verirrt. Seine Füße dufteten nach Wald, zwischen seinen Zehen hatten Ameisen eine Party.
Gerade fällt mir ein, wir hatten noch ein Konzert in Hamburg, aber ich bin gerade zu faul. Wir spielen immer mal unterschiedlich lange Sets. Manchmal zwei, manchmal nur ein längeres. Die Songs gewinnen mit jedem Abend an Tiefe und Kontur. Und auf einem ordentlichen Level gespielt, entfallten sie bei jedem Gig eine neue Facette ihrer Harmonien und Melodien. Ich bin jedes Mal aufs Neue gespannt, wohin der Weg hinter der Tür führt. Wenn sie aufgeht und wir mit Gidis- OneTwoThreeFour hineinspringen.
Maik *herz* Groove